MONTAGS-DEMO FREIBURG
Rede-Beitrag vom 1.09.08

Deutsche Kriegspolitik
Klaus Schramm

Deutsche Kriegspolitik tötet nicht nur ZivilistInnen und SoldatInnen in Afghanistan, sondern ebenso in Georgien und in Afrika. So kamen beispielsweise während des Krieges im Kaukasus auch deutsche Waffen zum Einsatz. Teile der georgischen Truppe kämpften mit dem modernen deutschen Sturmgewehr G 36. Die Bundesregierung beruft sich rechtfertigend darauf, daß ein Exportantrag der Schwarzwälder Firma Heckler & Koch untersagt worden sei.

Es wäre müßig, aufklären zu wollen, wie diese Waffen den Weg in den Kriegseinsatz im Kaukasus oder in Somalia finden. Entscheidend ist die Tatsache, daß die Profite der deutschen Rüstungsindustrie jährlich mit zweistelligen Prozentzahlen wachsen. Deutschland ist im Jahr 2006 auf der Top Ten der Welt-Terror-Staaten auf den dritten Platz aufgestiegen. Bronze für Deutschland, Kupfer für Deutschland, Coltan für Deutschland, Gas, Gold und Diamanten - und nicht zuletzt Öl. Öl, das immer wichtiger und teurer wird, je weniger global noch aus den Förderlöchern sprudelt. Und nicht nur der Preis in US-Dollar für das Barrel Öl steigt in immer schnellerem Tempo in die Höhe - der "Blutzoll" ebenso. "Kein Blut für Öl" hieß es noch bei ersten Golfkrieg. Der wievielte Krieg um Öl war der Krieg in Georgien eigentlich? Wer zählt noch mit?

Doch es wird auch auf andere Art und Weise sehr effektiv gemordet - nicht allein mit Waffen. Die gesamte Landwirtschaftshilfe der Industriestaaten für Afrika beträgt rund einer Milliarde US-Dollar. Dem stehen allein Produktions- und Exportsubventionen für landwirtschaftliche Güter der Industrieländer in einer Höhe von 348 Milliarden US-Dollar gegenüber. (Dies sind offizielle Zahlen der OECD.) Auf diese Weise wird die Landwirtschaft in Afrika zerstört und damit werden - indirekt und mit weißer Weste - täglich 100.000 Menschen ermordet, die an Hunger sterben. Allein in Afrika verhungert alle fünf Sekunden ein Kind.

Wir können hier unsere Hände nicht einfach in Unschuld waschen, indem wir sagen, wir, die wir von Sozialabbau betroffen sind, profitieren nicht von diesem globalen Morden. Eine Mehrheit der Deutschen ist zwar gegen den Kriegseinsatz in Afghanistan - doch bei allzu vielen ist eine solche Meinungsäußerung nicht mehr als Bla-Bla gegenüber den BefragerInnen der Meinungsforschungs-Institute. Es bleibt ohne reale Konsequenzen. Oder: noch schlimmer...

Ein hübsches Beispiel für die in Deutschland weit durch alle sozialen Schichten verbreitete Heuchelei lieferten kürzlich zwei Meldungen, die zufällig im Abstand von nur 24 Stunden veröffentlicht wurden:

So fordern laut einer am 28. August veröffentlichten Meinungsumfrage 83 Prozent der BundesbürgerInnen von der Politik, daß sie die Autoindustrie dazu zwingen möge, verbrauchsärmere Autos auf den Markt zu bringen. Für 67 Prozent der Deutschen ist beim Neuwagenkauf inzwischen der niedrige Verbrauch eines Wagens entscheidend - sagen sie. Damit liege dieser Aspekt erstmals weit vor Sicherheit (42 Prozent), Motorleistung (12 Prozent) und Komfort (11 Prozent). Für technische Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung würden NeuwagenkäuferInnen durchschnittlich 14 Prozent des Kaufpreises mehr ausgeben.

Nahezu zeitgleich förderte eine andere Studie die Realität zu Tage: In Deutschland zugelassene Neuwagen produzieren im Schnitt 168 Gramm Kohlendioxid pro Kilometer. Damit liegt Deutschland auf Platz 15 der 18 untersuchten EU-Länder. Also der dritte Platz von hinten.

Die Autos mit dem geringsten CO2-Ausstoß werden laut der Studie in Portugal gefahren. Auch in Frankreich und Italien verhalten sich die Menschen mit ihren Autos weitaus rationaler als die Deutschen. Männer fahren im Schnitt weit größere und schwerere Autos als Frauen. Und sogenannte Umweltminister benötigen Limousinen mit 249 Gramm Kohlendioxid-Ausstoß pro Kilometer, während ALG-II-EmpfängerInnen sich in der Regel kein Auto leisten können. Dafür sind sie nicht selten gezwungen in schlecht gedämmten Wohnungen zu leben und jagen den an Benzin eingesparten Betrag für Heizöl durch den Schornstein.

Und es sage niemand, das habe nichts mit dem Thema Kriegspolitik zu tun - womit fahren die Autos in Deutschland? Fahren sie mehrheitlich etwa mit solar erzeugtem Wasserstoff?

Solange nicht eine Mehrheit aufsteht und auf gewaltfreie Art dieses System stoppt, fahren wir alle zur Hölle. Reden allein hilft nichts.

So ist es auch müßig, vorzurechnen, daß allein das Geld, das die NATO-Staaten in nur einer Woche für die Rüstung ausgeben, ausreichen würde, um alle Menschen weltweit ein ganzes Jahr lang satt zu machen. Mit moralischen Appellen ist dem Kapitalismus, der ja nicht diktatorisch erzwungen wird, sondern von einer breiten Mehrheit getragen wird, nicht beizukommen.

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