MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 18.02.08

Verschärfte Sanktionen und Stimmungsmache gegen ALG-II-Bezieher

Beitrag vorgetragen von Benne

Letzte Woche schlugen die sogenannten "Fünf Weisen" vor, die Leistungen für ALG-II-Bezieher um 30 Prozent zu senken, um den "Anreiz zur Arbeitsaufnahme" zu erhöhen. Nur wer voll arbeitet, soll den vollen Regelsatz bekommen. Dieser Rat zur offenen Einführung von Zwangsarbeit ist keineswegs ein solches Novum, wie die Reaktion von bürgerlichen Politikern und Medien glauben machen wollen. Das ALG II weiter senken und mit Sanktionen gegen Arbeitslose vorgehen, ist Bestandteil der Koalitonsvereinbarung der Bundesregierung.

Ein Vorstoß, die Leistungen auf 276 Euro zu senken, wurde vergangenes Jahr gestoppt - und auch jetzt griffen Merkel und Co. den weisen Ratschlag nicht direkt auf. Die Wahlschlappen von Hessen und Niedersachsen und die bevorstehende Bürgerschaftswahl in Hamburg, die Kampfbereitschaft der Beschäftigten in den Tarifrunden im Öffentlichen Dienst und in der Stahlindustrie, die unermüdliche Montagsdemo-Bewegung und jetzt auch noch das Bekanntwerden der Zumwinkel-Affäre stellen nicht das geeignete Klima dar.

Tatsächlich wird gegen Menschen, die auf ALG II angewiesen sind, mit verschiedenen Methoden sehr wohl schärfer vorgegangen. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit ist im letzten Jahr die Zahl der Sanktionen gegen Arbeitslosengeld-II-Bezieher um 58 Prozent auf 138.700 gestiegen. Diese Sanktionen reichen von der Kürzung der Leistungen um 10 bis 30 Prozent bis zur völligen Streichung aller Leistungen, Schikanen und Zwang zur vollständigen Offenlegung jedes Cents Einnahmen gehören sowieso dazu.

Der blanke Hohn ist ein Prüfbericht des Bundesrechnungshofs von letzter Woche, wonach Langzeitarbeitslose zu hohe Leistungen beziehen, und zwar angeblich um durchschnittlich 119 Euro. Auch gingen die Grundsicherungsstellen bei der Kalkulation der Mietobergrenze oftmals nicht streng genug vor, rügte der Rechnungshof. Auf diese Weise haben ALG-II-Bezieher zum Teil allen Ernstes drei Quadratmeter mehr Wohnfläche als ihnen zustünde!

Der haushaltspolitische Sprecher der CDU sprach von einem dreistelligen Millionenbetrag, den diese "stillschweigende Ausbeutung des Sozialstaates" in den Kommunen koste. Nicht die Millionen und Milliarden Subventionen an die Großkonzerne, nicht Steuergeschenke für die Monopole und Steuerhinterziehungen von Managern und Superreichen werden angegriffen. Des Betrugs bezichtigt werden stattdessen Menschen, die oftmals jahrzehntelang Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt haben!

Unter Überschriften wie "Wer arbeitet, ist ein Idiot" hetzte die BILD-Zeitung letzte Woche mehrere Tage hintereinander gegen Arbeitslose mit Rechenbeispielen wie diesem: Eine Familie mit zwei Kindern unter 14 Jahren und einem 400-Euro-Job komme mit Hartz IV auf 1567 Euro - und liege damit nur um 20 Euro unter dem, was die Familie eines ostdeutschen Gesellen im Handwerk zur Verfügung habe. Als ob mit diesem Lohn eine selbständige Existenz bzw. der Unterhalt einer Familie überhaupt noch möglich wäre!

In der Tat war ja die Durchsetzung eines ausgedehnten Niedriglohnbereichs ein wesentliches Ziel der Hartz-IV-Knebelgesetze. Während die Gesamtzahl der Erwerbstätigen bis Oktober 2007 auf 40,3 Millionen stieg, sank gleichzeitig die Anzahl der Vollzeitarbeitsplätze um 2,86 Millionen. Die Auflösung von Tarifbindungen und der Druck durch die Hartz-Gesetze führten dazu, dass bereits 2006 21 Prozent aller abhängig Beschäftigten für Niedriglöhne arbeiten mussten. Gleichzeitig werden weiterhin Arbeitsplätze im Massenumfang vernichtet.

Die am Freitag vom Bundesrat gebilligte längere Bezugsdauer von Arbeitslosengeld I für ältere Arbeitslose ist ein Tropfen auf den heißen Stein: Enteignung der Ersparnisse und der so viel gepriesenen Altersvorsorge werden um maximal ein halbes Jahr verschoben. Selbst diese bescheidene Korrektur ist eine Reaktion auf die anhaltenden Proteste der Montagsdemonstrationen. Durch eine Sozialsteuer der Unternehmen von ca. 6 Prozent des Umsatzes könnten die Sozialversicherungsbeiträge zu 100 Prozent finanziert werden. Vollkommen zu Recht würden hier die großen Konzerne stärker belastet als kleinere Unternehmen.

Hartz IV muss weg!

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