MONTAGS-DEMO FREIBURG
Redebeitrag vom 7.01.08

Sozialabbau und Medien

Medienmacht - wie und zu welchem Zweck wird das Bewußtsein manipuliert?

Wenn wir mal an den Medien-Mogul der USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, Randolph Hearst, denken, der für den berühmten Film 'Citizen Cane' unfreiwillig als Vorlage diente: Er konnte sein Zeitungsimperium, zu dem später auch Dutzende von Radiosendern gehörten, aufbauen, weil er gegenüber der Konkurrenz zunächst auf sensationelle und skandalöse Enthüllungen setzte. Auf diesem Beispiel basiert auch heute noch der Traum eines großen Teils der Linken, so etwas wie eine linke BILD-Zeitung wäre wünschenswert. Mit der 'taz' wurde ein solcher Versuch in den 1970er Jahren in Deutschland gestartet - und spätestens seit den Zeiten der Vorbereitung des Kosovo-Kriegs ist erkennbar, daß er gescheitert ist.

Nebenbei bemerkt: Auch Randolph Hearst ist trotz eines Millionen schweren Startkapitals gescheitert - zumindest gemessen an den Zielen, die er zu Beginn seiner Karriere hatte oder vorgab zu haben.

Betrachten wir die heutige Situation in Deutschland: Einige wenige Verlags-Konzerne, von Springer über Bertelsmann, Bauer, Burda, Holtzbrinck bis zum WAZ-Konzern beherrschen den deutschen Medienmarkt. Selbst regionale Monopol-Zeitungen wie beispielsweise die 'Badische Zeitung', die einem mittelständischen Verlag gehört, haben keine Chance, mit ihrer politischen Blattlinie erkennbar vom neoliberal geprägten Mainstream abzuweichen. Wie das Beispiel 'Süddeutsche Zeitung' und Aldi zeigt, wird ein Blatt, daß sich auf investigativen Journalismus besinnt - und sei es auch nur für eine einzige Ausgabe - gnadenlos mit dem Entzug Millionen schwerer Anzeigen abgestraft. Bekanntlich kommt der Hauptteil der Einnahmen einer Tageszeitung oder eines Magazins nicht etwa von den LeserInnen, sondern von den AnzeigenkundInnen. Auch der 'spiegel', der als DAS deutsche Nachrichten-Magazin über Jahrzehnte hin sich eine leicht linksliberale Blattlinie leisten konnte, wurde seit der Etablierung des 'focus' auf neoliberalen Kurs gezwungen.

Viele LeserInnen wissen heute nicht, wem "ihre" Tages- oder Wochenzeitung gehört. Deshalb hier ein kleiner Überblick:

Dem Axel-Springer-Konzern gehört Deutschlands meist verkauftes Toilettenpapier - die sogenannte BILD-Zeitung. Weiter: BILD am Sonntag, Welt, Welt am Sonntag, Berliner Zeitung, Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt, das örtliche Monopolblatt Lübecker Nachrichten und viele andere. An Zeitschriften: Hörzu, BildWoche, Funk Uhr, TV Neu und TV Digital. Er besitzt 12 Prozent am Privat-TV ProSiebenSat.1.

Zum Bertelsmann-Konzern gehört der Verlag Gruner+Jahr, der beispielsweise die Zeitschriften stern, Brigitte und GEO herausbringt. Hinzu kommt zu 100 Prozent das Privat-TV RTL, sowie die Buchverlagsgruppe Random House und 50 Prozent der Konzern Sony BMG Music Entertainment.

Der Heinrich-Bauer-Verlag - heute auch: "Bauer Verlagsgruppe" - bezeichnet sich selbst als Europas führenden Zeitschriftenverlag. Mit 185 Zeitschriften in 15 Ländern auf drei Kontinenten ist die Bauer Verlagsgruppe international aktiv. Umsatz im Geschäftsjahr 2006: 1,79 Milliarden Euro.
Eigenwerbung: "Die Bauer Verlagsgruppe ist Marktführer im Segment der wöchentlichen Frauenzeitschriften und im Markt der Jugendzeitschriften gibt die Bauer Verlagsgruppe mit Europas größter Jugendzeitschrift BRAVO die Richtung vor."
Im Zeitungs-Segment bescheidet sich hbv mit der Magdeburger Volksstimme, der größten Tageszeitung im nördlichen Sachsen-Anhalt. Die Magdeburger Volksstimme erreicht täglich 565.000 LeserInnen (2007) mit einer verkauften Auflage von 213.800 Exemplaren.
Zeitschriften: Unter anderen Revue, Neue Post, Alles für die Frau, avanti, FreizeitWoche, Das Neue Blatt, Fernsehwoche, tv14, TV Hören und Sehen, TV Movie, Matador, AutoZeitung.

Während der Axel-Springer-Konzern nach wie vor der größte Zeitungs-Konzern Deutschlands ist, stieg der Offenburger Konzern Hubert Burda Media inzwischen zu einem der größten Verlags- und Medienkonzerne Deutschlands auf. Produkte sind unter anderem: Bunte, Focus, Neue Woche, Norddeutsche Neueste Nachrichten, Super-Illu, Tomorrow, TV Spielfilm, TV Today, Elle, freundin, Playboy, Burda Moden, CHIP, Cinema, Fit for fun, Freizeit Revue, Max, Meine Familie & ich,
an TV- und Radio-Sendern:
RTL 2, Focus TV, Focus Gesundheit, Cinema TV, Antenne Bayern, BB Radio, Donau 3 FM, Hit Radio FFH, Studio Gong, Radio Arabella, Radio Galaxy und Big FM.

Dem Holtzbrinck-Konzern gehören: Die Zeit, Handelsblatt, Tagesspiegel, Südkurier, Lausitzer Rundschau, Main-Post, Trierischer Volksfreund und die Saarbrücker Zeitung (die einzige Zeitung im Saarland). Der schwäbische Konzern Holtzbrinck hat inzwischen (neben zahlreichen Zeitungen) alle wichtigen Taschenbuchreihen (bis auf Suhrkamp) aufgekauft und sogleich kritische Reihen - wie RoRoRo-Aktuell oder Fischer alternativ - eingestellt.
Hier ein Überblick über die wichtigsten Publikums-Verlage in der Hand von Holtzbrinck:
S. Fischer Verlag, Rowohlt Verlag, Kiepenheuer & Witsch, Verlagsgruppe Droemer Knaur, Pan Macmillan, St. Martin's Press, Henry Holt, Tom Doherty Associates, Farrar, Straus and Giroux, Macmillan Audio und Picador.

Zum WAZ-Konzern gehört neben der namengebenden Westdeutsche Allgemeine Zeitung:
unter anderen Neue Ruhr Zeitung / Neue Rhein Zeitung, Westfälische Rundschau, Westfalenpost, Thüringer Allgemeine, Ostthüringer Zeitung, Thüringische Landeszeitung, Braunschweiger Zeitung, Harz Kurier und Saale-Zeitung.
An Zeitschriften unter anderen: Gong, Bild + Funk, Nur TV, Super TV und TV direkt
Echo der Frau, die aktuelle, die 2, Ein Herz für Tiere.

In den meisten Regionen Deutschlands erscheint nur noch je eine Zeitung. Im Bundesland Rheinland-Pfalz beispielsweise gibt es vier Tageszeitungen, je eine in den vier (früheren Regierungs-) Bezirken Mainz, Koblenz, Ludwigshafen und Trier; die Verbreitungsgebiete sind genau gegeneinander abgegrenzt.

Die regionale Monopolisierung der Presse in Deutschland ist weitgehend abgeschlossen - bis auf wenige Regionen wie Berlin, München, Frankfurt/Main, Düsseldorf - teilweise mit dem Ergebnis, daß zwar noch zwei Zeitungen nebeneinander erscheinen, die aber demselben Verlag gehören, so in Hannover und Nürnberg.

Und so ist es nicht verwunderlich, wenn alles, was unser kapitalistisches Wirtschaftssystem in Frage stellt, weitestgehend ausgeblendet oder lächerlich gemacht wird. Neben dem primär wichtigen Anzeigen-Teil dient in Zeitungen und Magazinen der redaktionelle Teil vorrangig dazu, der Werbung die entsprechende vorausgewählte Leserschaft zu bieten. Zugespitzt formuliert: Die Werbung für Luxuslimousinen findet sich in der Regel im Wirtschaftsteil der Tageszeitungen.

Daß unsere Mainstream-Medien kaum kritischen oder investigativen Journalismus zu bieten haben, liegt also nicht in erster Linie an der politischen Ausrichtung ihrer Besitzer, sondern zu allererst an den Wünschen der zahlungskräftigen Kunden.

Wie funktioniert diese Ausrichtung des Journalismus konkret, obwohl nahezu sämtliche JournalistInnen - und meist subjektiv völlig ehrlich - darauf beharren, niemals in ihrer Karriere unter Druck gesetzt worden zu sein oder gar Zensur erlebt zu haben? Ein wichtiges Instrument hierbei ist die "Schere im Kopf". Die Richtlinien der Zensur werden verinnerlicht. Wer einige Male als jungeR JournalistIn von KollegInnen ausgelacht wurde, wenn in einem vorlegten Artikel eine politische Tendenz erkennbar wurde, oder wer in solchen Fällen wegen "stilistischer Mängel" zu vielfachen Überarbeitungen gezwungen war, übersieht in Zukunft gerne gewisse Themen, spezialisiert sich auf "Unpolitisches" oder wird ins Feuilleton abgedrängt. Bei immer mehr arbeitslosen JournalistInnen werden auf der Stufenleiter in den Redaktionen gnadenlos die anpaßlerischsten und duckmäuserischsten JournalistInnen für den weiteren Aufstieg selektiert und dabei der Druck erhöht. Schon die Auswahl unter den vielen BewerberInnen für die wenigen Positionen festangestellter RedakteurInnen erfolgt in erster Linie nach dem Kriterium des vorauseilenden Gehorsams.

Der Medienwissenschaftler Kim Otto, Professor an der Macromedia Fachhochschule für Medien in Köln und zugleich Reporter für das ARD-Politikmagazin Monitor sagte am 21. Dezember in einem Interview:
"Wir bekommen kaum noch Interviews von Regierungsmitgliedern. Warum? Die Politiker wissen, daß sie bei kritischen Fragen kaum eine gute Figur machen können. Schon gar nicht in einem kurzen Statement. Sie haben oft leider wenig Kenntnis von der Sache und haben gelernt, mediengerechte Allgemeinplätze zu formulieren. Fragen Journalisten in Berlin bei den Regierungsmitgliedern öfter kritisch nach, gibt es keine Interviews mehr. So einfach ist das. Journalisten, die auf die Aussagen dieser Politiker angewiesen sind, halten sich zurück. Politiker gehen inzwischen auch lieber in Talk-Shows: dort haben sie oft die Gelegenheit, unkritisch befragt zu werden, damit ist die Resonanz viel größer."

In den USA oder Italien ist die Entwicklung weit weniger verblümt sichtbar: Verleger wie Rupert Murdoch oder Sumner Redstone, die über eine weitaus größere Macht verfügen als hiesige Verleger, zeigen sich ganz offen als politische Missionare. Die engen Beziehungen Murdochs mit George W. Bush ebenso wie mit Anthony Blair sind bekannt. Silvio Berlusconi hatte sein Medienimperium in bislang unbekannter Schamlosigkeit benutzt, um itanienischer Regierungs-Chef zu werden.

Die Mainstream-Medien dienen also längst nicht mehr einer objektiven Information ihrer Leserschaft, sondern zu folgenden drei Hauptzwecken:

  1. ein pseudo-demokratisches politisches System zu stützen, dieses zu affirmieren und zugleich alles auszublenden, was dieses System in Frage stellen könnte.

  2. das kapitalistische Wirtschaftssystem zu beschönigen, den rasant zunehmenden Sozialabbau zu leugnen und jegliche demokratische Alternative jenseits von Profit-Orientierung und Staatsdirigismus zu negieren oder lächerlich zu machen.

  3. die nicht mehr zu leugnende Umweltzerstörung und den Weg in die Klimakatastrophe als unvermeidlich darzustellen und zugleich das heuchlerische und korrupte politische System als Lösung des Problems oder wenigstens zur Milderung der Folgen zu verkaufen.

 

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